
International
SRF (Switzerland)
«International» befasst sich wöchentlich mit internationaler Politik und Gesellschaft. Seit 1978 am Radio und von Anbeginn auch online. Reportagen, Analysen und Geschichten zur internationalen Aktualität, meist erzählt von Auslandskorrespondenten und -korrespondentinnen von Radio SRF.
Location:
Zürich, Switzerland
Networks:
SRF (Switzerland)
Description:
«International» befasst sich wöchentlich mit internationaler Politik und Gesellschaft. Seit 1978 am Radio und von Anbeginn auch online. Reportagen, Analysen und Geschichten zur internationalen Aktualität, meist erzählt von Auslandskorrespondenten und -korrespondentinnen von Radio SRF.
Language:
German
Email:
ausland@drs.ch
Episodes
Israel – Der jüdische Staat ringt um seine Seele
6/3/2023
Seit Mitte Januar demonstrieren in Israel einige Hunderttausend Menschen gegen die geplante Justizreform ihrer Regierung. Die grössten Demonstrationen finden jeden Samstagabend in Tel Aviv statt, aber auch in anderen Städten gibt es Protestveranstaltungen. Die Angst dieser Leute: Premier Benjamin Netanjahus Regierung sei daran, Israel in eine Diktatur zu verwandeln. «Demokratie! Demokratie!» skandieren sie. Netanjahus Anhängerschaft versteht den Aufruhr nicht. Sie haben konservative, religiöse und sogar rechtsextreme Parteien gewählt, und sie stellen die Mehrheit im Parlament. «Die Mehrheit befiehlt!», finden sie, und halten die Demonstrierenden nicht nur für schlechte Verlierer, sondern für die Elite, welche sich ihre Macht durch die Gerichte sichern und dabei die demokratisch gewählte Mehrheit im Parlament übergehen wolle. Der Streit um die geplante Justizreform spaltet selbst Familien. Der Restaurantbesitzer und siebenfache Vater Ori Melamed erzählt, wie seine Verwandte und Freunde jede Woche demonstrieren und kaum noch mit ihm reden. Weil er politisch rechts steht und religiös ist. Amit Nachmany, eine zweifache Mutter, welche als Armeekommandantin Soldaten auf Waffensystemen trainiert hat, demonstriert dreimal pro Woche. Weil sie glaubt, die Justizreform werde unter anderem die Rechte und Freiheiten von Frauen beschneiden. Längst wird nicht nur um die Justizreform gestritten. Im Kern geht es um Grundsatzfragen wie: «Wer ist überhaupt Israeli?», «Was bedeutet «jüdisch»? «Kann ein Staat, der sich als jüdisch definiert, gleichzeitig auch demokratisch sein?» Was in Israel passiert, beschreibt Nechumi Yaffe, Forscherin in der ultra-orthodoxen jüdischen Gemeinschaft und Dozentin an der Tel Aviv University so: «Es ist ein Ringen um die unfassbare Wirklichkeit dessen, was es heisst, jüdisch zu sein und Macht und Souveränität zu haben. Zweitausend Jahre lang wurden wir von anderen beherrscht - jetzt sind wir ein unabhängiges Volk. Das ist eine neue Erfahrung, und als Nation sind wir auf der Suche, wie wir uns definieren wollen." Israel wird in diesem Jahr 75: Eine Reportage über das Ringen um die Seele des jungen Staates.
Duration:00:28:53
Bulgarien: Der «goldene Tümpel» an der EU-Aussengrenze
5/27/2023
Der Grenzübergang Kapitan Andreewo zwischen Bulgarien und der Türkei ist das grösste Eingangstor in die EU. Was dort passiert, hat Auswirkungen bis in die Schweiz: etwa darauf, ob wir Früchte mit zu vielen Pestiziden essen. Bulgarien tut sich schwer, es gibt Fälle von Korruption. Kapitan Andreewo ist der grösste Grenzübergang Europas. Jedes Jahr gibt es mehr Verkehr. Lastwagen stauen sich, die Peperoni, Zitronen, Birnen, Mandarinen, Feigen und mehr über diese Grenze bringen, aus der Türkei, aus Asien. Fast alles landet in westeuropäischen Ländern. Jahrelang überliess der bulgarische Staat die Kontrolle von Früchten und Gemüse an der Grenze einer privaten, wohl korrupten Firma. Als die Agentur für Nahrungssicherheit die Kontrollen wieder verstaatlichen wollte, wurden die leitenden Angestellten bedroht. Auch jetzt noch funktionieren die Kontrollen schlecht. Ausserdem nimmt der Schmuggel zu, und über die EU-Grenze kommen aussergewöhnlich viele Geflüchtete. Grenzpolizisten werden angegriffen, Menschen wohl illegal zurück in die Türkei geschickt. Die Unterwelt kann mit der Grenze viel Geld verdienen. Deshalb nennt man den Grenzübergang auch den «goldenen Tümpel». Das ist ein Problem für Europa.
Duration:00:27:17
«Pro Choice» oder «Pro Life»? Die Abtreibungsfrage in den USA
5/20/2023
Im Sommer 2022 hat der Oberste US-Gerichtshof das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. Seither sind Schwangerschaftsabbrüche in über einem Dutzend Gliedstaaten verboten, in vielen anderen läuft der politische Prozess noch. Das Thema bewegt die Bevölkerung, politisch, juristisch, moralisch. Das Urteil des Supreme Court war ein Sieg für Abtreibungsgegnerinnen und -gegner. Und gleichzeitig «nur» ein erster Schritt. Denn auch wenn Schwangerschaftsabbrüche seither in mehreren US-Bundesstaaten verboten sind, kämpfen sie weiter: Für strengere Regeln, dort, wo sie in ihren Augen zu liberal sind. «Jede Person hat das Recht, geboren zu werden», findet eine Abtreibungsgegnerin aus New York und engagiert sich für ein radikales Abtreibungsverbot in ihrem Bundesstaat. «Wer nicht frei entscheiden kann, ein ungewolltes Kind zu gebären oder abzutreiben, ist auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt», sagt hingegen die Rechtsprofessorin. Sie weist darauf hin, dass durch Abtreibungsverbote vor allem schwarze Frauen benachteiligt werden; junge Frauen, schlechtverdienende Frauen und solche aus ländlichen Gebieten. Das Thema Schwangerschaftsabbruch beschäftigt und bewegt die Menschen in den USA. Das Thema ist zum Politikum geworden, das demokratische Wählerinnen mobilisiert und republikanische spaltet. Und wenn in rund anderthalb Jahren ein neuer Präsident – oder eine neue Präsidentin – gewählt wird, dürfte auch die Abtreibungsfrage im Wahlkampf ein Thema sein.
Duration:00:28:43
Nigeria – der Fluch des Erdöls
5/13/2023
Nigeria ist Afrikas grösster Erdölexporteur. Täglich werden allein im Nigerdelta Millionen Liter Erdöl aus dem Boden gepumpt. Viele versuchen, vom schwarzen Gold zu profitieren, legal oder illegal. Doch die breite Bevölkerung hat nichts davon. Ausser Umweltzerstörung. Und Armut. An der Tankstelle in Port Harcourt stehen sie Schlange. Weil das Benzin fehlt. Ausgerechnet im Erdölland Nigeria. Unmengen des kostbaren Rohstoffs liegen dort unter dem Boden, gefördert von Erdölkonzernen wie etwa Shell. Der Grossteil des Rohöls wird exportiert, weil es in Nigeria selbst noch an legalen, funktionierenden Raffinerien fehlt. Das Erdöl ist eine Goldgrube, Gold, aber eben auch schwarz – schwarzes Gold. Klebrig und hochgiftig. Wer im Nigerdelta wohnt, einer der erdölreichsten Regionen weltweit, riskiert krank zu werden – oder zu sterben. Bauern klagen, dass ihre Felder und das Wasser verseucht seien. Immer wieder kommt es zu Unfällen und Lecks mit weitreichenden Folgen – für Mensch und Umwelt. Der grosse Reichtum in Nigerias Boden lockt viele: da sind die «kleinen Fische», die illegal Erdöl raffinieren; da sind jene, die die Ölpipelines anzapfen und das abgezweigte Öl weiterverkaufen; und schliesslich sind da jene, die in grossem Stil vom lukrativen Erdöl-Diebstahl profitieren.
Duration:00:28:27
Diyarbakir und die kurdische Identität
5/6/2023
Das Kurdenproblem sei gelöst, behauptete der türkische Präsident Erdogan. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er versprochen, kulturelle Vielfalt im türkischen Einheitsstaat zuzulassen. Das weckte Hoffnungen in den kurdischen Gebieten. Die Hoffnungen haben sich zerschlagen. Ergün Ayik sitzt auf einer Bank vor der armenischen Kirche und lässt seinen melancholischen Blick über die neuen Häuser der Umgebung schweifen und sagt. «Das ist nicht mehr Diyarbakir. Sie haben das alte Diyarbakir zerstört». Ayik hat seine Kindheitsjahre in den engen Altstadtgassen verbracht und ist nun zurück zur Feier des Ostergottesdienst in der alten Kirche. Das Gebiet um die Kirche herum war seither Schauplatz eines Kriegs: Kurdische Aufständische hatten sich im Herbst 2015 in den engen Gassen verschanzt, die türkische Armee zögerte nicht, schoss aus Panzern und Helikoptern ins historische Zentrum der südostanatolischen Millionenstadt. Die Kämpfe haben sich verlagert, doch ein Teil der Altstadt ist verschwunden. Nach den Kämpfen folgte eine radikale bauliche Erneuerung, anstelle der engen Gassen prägen nun breite Flaniermeilen mit Cafés und Souvenirshops die östliche Hälfte der Altstadt. «Die Sanierung hat politische Ziele» ist Selma Aslan, die Chefin der Architekturkammer von Diyarbakir überzeugt. Die Altstadt solle ihre Identität verlieren. Vor genau hundert Jahren wurde die moderne Türkei als radikaler Einheitsstaat gegründet. Die damalige kemalistische Elite verfolgte eine strikte Assimilierungspolitik, darin war kein Platz für kurdische Kultur oder Sprache. Erdogan trat anfangs dagegen an. Er versprach Öffnung, suchte sogar den Dialog mit der kurdischen Untergrundorganisation PKK. Doch das Tauwetter war kurzlebig. Längst sprechen wieder die Waffen. Und auch jetzt im Wahlkampf bleibt Erdogan bei seiner nationalistischen Rhetorik. Reportage aus Diyarbakir im Südosten der Türkei.
Duration:00:28:41
Die Magie der britischen Monarchie
4/29/2023
Die Welt wird nach London blicken, wenn Charles III. am 6. Mai in der Westminster Abbey gekrönt wird. Seit Jahrhunderten bildet die Monarchie das Rückgrat des Vereinigten Königreiches. Doch sie hat an Zuspruch verloren, und nicht wenige glauben mittlerweile, dass man sie auch abschaffen könnte. Hinter den Kulissen werden politische Entscheide gefällt, während die Königsfamilie auf der grossen Bühne das Volk glanzvoll und würdig bei Laune hält. So beschrieb der britische Verfassungstheoretiker Walter Bagehot im 19. Jahrhundert die Rolle der Monarchie in der britischen Politik. Doch die Zeiten haben sich verändert, die Vererbung von Titeln und Privilegien sind im 21. Jahrhundert verpönt. Zudem hat das Ansehen der Königsfamilie gelitten, und gerade unter jungen Britinnen und Briten glauben nicht wenige, dass die britische Monarchie mit ihren jahrhundertealten Traditionen und Ritualen ihre Daseinsberechtigung verloren hat. Die Sendung «International - Die Magie der britischen Monarchie» lässt sowohl Royalistinnen als auch Republikaner zu Wort kommen und erörtert die künftige Rolle des neuen König Charles III. sowie die Herausforderungen, die ihn erwarten.
Duration:00:30:47
Südossetien, Georgien und Russland: wenn zwei sich streiten…
4/22/2023
übernimmt der Dritte die Kontrolle. In diesem Fall Russland. Das schon in den 1990er Jahren Truppen nach Georgien schickte, um die Separatisten der selbsternannten Republik Südossetien zu schützen. Jahrhundertelang lebten Georgierinnen und Osseten Seite an Seite. Nach dem Fall der Sowjetunion kochten latente Feindseligkeiten hoch, bis zu blutigen Kämpfen zwischen ossetischen Separatisten und georgischen Truppen. Georgiens mächtiger Nachbar Russland stellte sich auf die Seite der Separatisten, und bis heute sind die russischen Soldaten geblieben. Sie erobern im Namen Südossetiens immer mehr georgisches Gebiet. Georgier fürchten, es könnte ihnen wie den Ukrainern ergehen. Im georgischen Dorf Gremiskhevi hat die Bevölkerung Angst. Die Dorfbewohnerinnen klagen über Entführungen durch die russischen Truppen. Ein Trupp georgischer Männer beobachtet, wie russische Soldaten durch den Wald schleichen. Die georgische Dorfbevölkerung traut sich schon gar nicht mehr in die Nähe der Grenzlinie. Diese sei gar nicht richtig markiert, erzählt Tsisana, die erzählt, wie sie selbst entführt worden sei. Ein vernachlässigter Friedhof in Grenznähe zeugt von der Angst der Dorfbewohner, und auch von dem Leid, den der blutige Konflikt auf beiden Seiten hinterlassen hat. Auf der georgischen Seite verdrängen viele ihren Anteil am ethnischen Konflikt, sie geben dafür Russland die Hauptschuld. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sehen sie sich bestätigt: wäre da keine imperialistische Grossmacht, wäre zwischen Osseten und Georgiern ein Frieden möglich. So einfach ist die Wirklichkeit jedoch nicht.
Duration:00:28:54
Italiens schwierige Justizreform
4/15/2023
Die italienische Justiz ist chronisch überlastet, nirgendwo sonst in Europa arbeitet die Justiz so langsam wie in Italien. Das frustriert Bürgerinnen und Bürger, schwächt deren Vertrauen in den Staat und schreckt potenzielle Investoren ab. Wegen zu langsamer Justiz wurde Italien schon unzählige Male vom europäischen Menschenrechtshof verurteilt. Mit der EU wurde deshalb eine grossangelegte Justizreform vereinbart. Sie ist Teil des 191 Milliarden Euro schweren Aufbauplans. Die Justiz erhält nur einen Bruchteil der Gesamthilfe, doch werden ihre Ziele nicht erreicht, entfällt das Gesamtpaket. Bis im Jahr 2026 müssen Zivilprozesse um 40 Prozent beschleunigt werden, im Strafrecht um 25 Prozent, die Zahl der hängigen Fälle im Zivilrecht muss um 90 Prozent sinken. Zehn Millionen Gerichtsfälle müssen digitalisiert werden, wobei ein einziger einen ganzen Lieferwagen mit Papierakten füllen kann. Die Umsetzung der Justizreform dürfte Jahre dauern.
Duration:00:26:38
Baskenland: der Terror, die Angst und das grosse Schweigen
4/8/2023
Fünf Jahre ist es her, dass die baskische Terrororganisation ETA sich aufgelöst hat. 853 Menschen wurden von ihr getötet. Die Angst, die das Leben der Bevölkerung im Baskenland über Jahrzehnte geprägt hat, wirkt bis heute nach. José Vargas war gerade beim Einkaufen. Aurora Intxausti wollte ihren kleinen Sohn in die Krippe bringen. Der Terror der ETA brach über sie hinein, ohne dass sie ihn hätten kommen sehen – und er prägt ihr Leben bis heute. Die ETA wurde 1959 mit dem Ziel gegründet, ein unabhängiges, sozialistisches Baskenland zu errichten. Die drei Buchstaben stehen für «Euskadi ta Askatasuna», «Baskenland und Freiheit». Die ersten Jahre bediente sich die ETA friedlicher Mittel, doch Ende der 60er-Jahre begann sie zu töten. Zuerst richtete sich ihre Gewalt gegen Polizei, Militär und Funktionäre des Franco-Regimes, was ihr auf internationaler Ebene gewisse Sympathien einbrachte: Die ETA-Kämpferinnen und Kämpfer wurden als romantische, anti-faschistische Guerilleros verherrlicht. Doch nach Ende der Diktatur bedrohten, entführten und mordeten sie noch mehr als drei Jahrzehnte lang weiter. Allein 21 Kinder waren unter ihren Opfern. Im Kampf gegen die ETA beging auch der spanische Staat massive Menschenrechtsverletzungen: Während vier Jahren finanzierte das Innenministerium Todesschwadronen, die insgesamt 27 Menschen exekutierten, ohne jegliche rechtliche Grundlage. Zudem sind tausende Fälle von Folter und Misshandlungen dokumentiert. In diesem «International» kommen Opfer, Forschende und Angehörige von ETA-Gefangenen zu Wort. Wie kann die baskische Gesellschaft mit dem umgehen, was geschehen ist? Wie kann man über diese Vergangenheit sprechen, um ihrer Brutalität und ihrer Vielschichtigkeit gerecht zu werden?
Duration:00:29:25
Zurück auf Null: Frauen in Afghanistan
4/1/2023
Vor gut eineinhalb Jahren haben die Taliban in Afghanistan die Macht zurückerobert. Seitdem haben sie im selbsternannten islamischen Emirat eines der repressivsten Regime weltweit eingeführt. Darunter leiden besonders Mädchen und Frauen. Die Medizinstudentin Husna war im Abschlussexamen, als sie Ende Dezember die Schreckensnachricht erreichte: Ab sofort dürfe sie nicht mehr studieren. Seitdem sitzt die hochbegabte 20-Jährige frustriert und hoffnungslos zu Hause, wie Millionen andere afghanische Frauen. Es war der vorerst letzte Streich der islamisch-fundamentalistischen Taliban im Kampf gegen Frauen und Mädchen. Die Verbotsliste ist seit der Machtübernahme immer länger geworden: Mädchen dürfen ab der siebten Klasse nicht mehr zur Schule, die meisten Frauen nicht mehr arbeiten, nicht mehr die Universität besuchen, nicht mehr für Nichtregierungsorganisationen arbeiten und nicht einmal mehr Parks und Fitnesscenter besuchen. Die wenigen Frauen, die sich wehren oder gar demonstrieren, werden niedergeknüppelt oder ins Gefängnis geworfen. Weil das ein gravierender Verstoss gegen Menschenrechte ist, hat die internationale Gemeinschaft die Reserven der afghanischen Zentralbank eingefroren und Sanktionen verhängt - was die Wirtschaftskrise in Afghanistan massiv verschärft und die Zahl der Hungernden weiter erhöht hat. Während die Taliban-Führung in Kandahar an den strikten Verboten festhält, wird die Kritik an den Bildungsverboten für Frauen bei hohen Offiziellen in Kabul lauter.
Duration:00:27:19
Äthiopien: Die Wunden des Tigray-Krieges heilen nur langsam
3/25/2023
Zwei Jahre wurde in der Region Tigray im Norden Äthiopiens gekämpft. Wenig drang in der Zeit nach aussen, die Zentralregierung hatte Telefon und Internet blockiert. Nun sind Reisen nach Tigray wieder möglich. Unser Afrikakorrespondent begegnete erleichterten, aber schwer traumatisierten Menschen. Da ist etwa der junge Aradom, ein schmächtiger Informatiker mit Bart. Er hat für die Tigray gekämpft und erzählt, wie sie Äthiopiens Armee besiegten und den Krieg doch verloren. Er ist traumatisiert, arbeitslos, hängt mit Freunden in einer Bar herum und versucht zu vergessen. Da ist eine Mutter, die von Soldaten vergewaltigt wurde, als sie ihr Eigentum vor Plünderung beschützen wollte. Von ihrem Mann hat sie schon lange nichts mehr gehört, die Kinder werden wohl ohne Vater aufwachsen müssen. Eine alte Frau hat nur ein paar Weizenkörner, die sie ihren hungrigen Enkelkindern zubereiten kann. Während des Krieges war es noch schlimmer, erzählt sie. Hunger und Unterernährung sind ein riesiges Problem. Wir begegnen einem Lehrer, der ohne Lohn versucht, in einer Primarschule wieder zu unterrichten, unter widrigsten Umständen. Er hat leise Hoffnung, dass es wieder einen Alltag geben wird. Und da ist ein führender Kader der alten Garde der TPLF-Rebellen. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der Zentralregierung ein ungünstiges Waffenstillstandsabkommen geschlossen zu haben. Mit dem grausamen Krieg haben die Rebellen nichts gewonnen. Hunderttausende aber haben ihr Leben oder ihre Existenz verloren.
Duration:00:27:52
Korruption beschädigt die Republik Österreich
3/18/2023
Vergleichbar einem Wasserschaden habe die Korruption die Substanz des Gebäudes erreicht. Das sagte Österreichs Bundespräsident Van der Bellen und meinte damit den Staat. In den letzten Jahren rollte eine Welle von Skandalen über unser östliches Nachbarland. Was sind die Ursachen und was wäre zu tun? Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz, der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache, aber auch diverse Ministerinnen und Minister sind in Affären verwickelt, die Österreich seit Jahren in Atem halten. Die Justiz ermittelt, rechtskräftige Urteile liegen noch keine vor. Doch die Vorwürfe sind massiv und viele sind gut belegt. Über 300'000 Österreicherinnen und Österreicher fordern in einem Volksbegehren endlich konkrete Massnahmen gegen die Korruption. Zum Beispiel ein Ende des strikten Amtsgeheimnisses, die Schaffung einer Bundesanwaltschaft oder ein griffiges Antikorruptionsgesetz. Doch die Beharrungskräfte sind stark und reichen zum Teil weit zurück in die Geschichte Österreichs. Und ausgerechnet jene Partei, die am Anfang der neusten Korruptionswelle stand, die rechtspopulistische FPÖ, legt gemäss allen Umfragen wieder stark zu.
Duration:00:27:10
Amoklauf in Newtown: Aktivismus und Trauma in einer US-Kleinstadt
3/11/2023
In Newtown geschah vor zehn Jahren das Unvorstellbare: Ein Amokläufer tötete in einer Schule 26 Menschen, darunter 20 Kinder. Zurück blieben eine traumatisierte Gemeinde - und Eltern, die zu Aktivisten wurden. Da ist etwa Mark Barden. Sein sechsjähriger Sohn wurde damals im Schulhaus erschossen. Bis heute quält Barden der Gedanke, dass sein kleiner Bub einsam und allein sterben musste - weil der Täter so leicht Zugang hatte zu einer tödlichen Waffe. Die Tat hat in den USA eine heftige Debatte über Waffengewalt ausgelöst. Präsident Obama reiste damals nach Newtown, während der rechte Verschwörungstheoretiker Alex Jones behauptete, der Amoklauf habe gar nie stattgefunden. Die Waffengewalt ist derweil zu einer Art Epidemie geworden in den USA: So viele Menschen wie nie zuvor starben 2020 durch Schusswaffen: gut 45 000. Schusswaffen sind bei Kindern inzwischen die häufigste Todesursache. Vater Mark Barden hat nach dem Tod seines Sohnes eine Organisation gegründet, die versucht, Amokläufe zu verhindern. Er engagiert sich vor allem in der Prävention. Schüler:innen und Lehrpersonen sollen Warnzeichen bei potenziellen Tätern erkennen und rechtzeitig Hilfe suchen. Zudem kämpft Barden - wie viele andere Menschen in Newtown - für schärfere Waffengesetze, ein schwieriges Unterfangen, weil Amerikas Konservative den praktisch unbegrenzten Zugang zu Schusswaffen für ein Grundrecht halten. In der Sendung kommen auch zu Wort: Teenager, die als Kinder den Amoklauf von Newtown überlebt haben sowie Matthew Crebbin, ein örtlicher Priester. Er versucht seit dem Amoklauf, den Schmerz in seiner Gemeinde zu lindern.
Duration:00:26:59
Auf eine Currywurst mit den Deutschen
3/4/2023
Fleisch gehört zur deutschen Identität. Egal ob Wurst oder Schnitzel, gegessen werden gerne üppige Portionen vor allem billigen Schweinefleischs. Eine hocheffiziente Fleischproduktion und Billiglöhne sorgen für günstigen Nachschub. Doch Ansprüche an Moral und Qualität stellen Omas Rezepte in Frage. «Super, wirklich super» schwärmt Michael Wagner mit vollem Mund von der Currywurst, die er mitten auf einer Kreuzung in Berlin auf die Schnelle isst. Im Imbissstand bereitet Tarek die Würste im Stakkato zu. Viele Deutsche lieben schnelles, billiges Essen und Fleisch gehört einfach dazu. Schon die alten Römer fanden, dass die Germanen keine ausgeprägte Esskultur haben. Das schlichte Essen gehört zur deutschen Identität und Fleisch wurde zum Kulturgut. Seine Verfügbarkeit für alle sorgte einst für politische Stabilität. Landwirte wie Henning Kock produzieren günstiges Schweinefleisch. Im sogenannten «Schweinegürtel», einer Region südwestlich von Bremen, hält er 2600 Tiere. Sie sind genetisch so veranlagt, dass sie sich trotz dauernder Verfügbarkeit von Futter nicht überfressen und rund 900 Gramm pro Tag zulegen. Mit Fleisch verdient auch Alina Henrici ihr Leben. In ihrer Metzgerei in Hessen lädt sie Kinder in die Wurstküche ein, damit diese verstehen, dass die Wurst nicht vom Discounter, sondern vom Tier kommt. Für viele ist Fleisch nicht wegzudenken. Doch nun streicht Freiburg im Breisgau das Fleisch vom Menu der Grundschulen und Kitas. Die Aufregung ist gross.
Duration:00:29:56
Die Gemeinde Molenbeek kämpft gegen ihr Stigma
2/25/2023
Molenbeek ist ein Nest von islamistischen Terroristen. Das glaubt die Welt zu wissen. Mit viel Solidarität versuchen die Einwohner der Gemeinde, Molenbeek ein anderes Gesicht zu geben. Die Vorortsgemeinde Molenbeek wird oft als das Manchester von Belgien bezeichnet. Das Stadtbild ist geprägt von reihenweise roten Backsteinfassaden. Molenbeek war einmal ein wichtiger Industriestandort. Darum zogen von überall her Menschen in den Stadtteil im Westen von Brüssel, immer auf der Suche nach Arbeit. Sie kamen aus Spanien, Portugal oder zuletzt aus Marokko - bis die Krise kam. Wer etwas Geld auf die Seite legen konnte, wanderte sodann weiter. Wer zurückblieb, gilt als Absteiger. Heute ist Molenbeek eine Gemeinde mit immer noch überdurchschnittlich vielen Eingewanderten, aber auch mit überdurchschnittlich vielen Menschen, die gegen Armut kämpfen müssen. Wer in diesem Umfeld aufwächst, hat nicht die besten Chancen auf eine erfolgversprechende Karriere. Das ist der ideale Nährboden, auf dem islamistische Extremisten junge Männer für ihren Krieg gegen die westliche Lebensweise rekrutierten. Molenbeek ist seither gleichbedeutend mit Terroristen-Nest. Weil einige Selbstmordattentäter der Anschläge in Paris und Brüssel in den Jahren 2015 und 2016 mit Hunderten Toten in Molenbeek aufwuchsen, vom Weg abkamen und später als Terroristen dank Komplizen hier Unterschlupf fanden. Die Folgen für die Einwohnerinnen und Einwohner sind bis heute verheerend. Die Bevölkerung sieht sich einer doppelten Stigmatisierung gegenüber: Sie werden als Eingewanderte und als potentielle Terroristen abgestempelt. Vor allem viele Jugendliche leiden stark unter diesem Stigma. Die Bereitschaft steigt in jüngster Zeit allerdings wieder, in Molenbeek zu investieren – kulturell, gesellschaftlich, aber auch wirtschaftlich. Langsam bewegt sich etwas in Molenbeek.
Duration:00:28:49
Serbien: Wo Moskau-Treue und Putin-Gegner zusammentreffen
2/18/2023
Serbien und Russland sehen sich als Verbündete. Belgrad trägt die westlichen Sanktionen nicht mit, rund 80 Prozent der Bevölkerung sind pro-russisch eingestellt. Gleichzeitig leben aber etwa 200.000 Geflüchtete aus Russland, Belarus und der Ukraine in dem Land – in der Regel Putin-Gegner. Das hat mehrfach dazu geführt, dass prorussische Serben demonstrierend durch Belgrad zogen, während die Anti-Putin Proteste von echten Russen und Russinnen, den Neuankömmlingen nämlich, dominiert werden. Letztere haben sich für Serbien entschieden, weil Belgrad immer noch von Russland angeflogen wird und russische Staatsbürger auch kein Visum für die Einreise benötigen. Sie, die vor der Repression und der Mobilisierung geflohen sind, wundern sich über die seltsame Kreml-Sympathien in Serbien. Tatsächlich nehmen viele in Serbien die russische Propaganda für bare Münze – kein Wunder, berichten doch die regierungsnahen serbischen Medien über den Ukraine-Krieg wie ein verlängerter Arm Moskaus. Doch diese Russland-Liebe ist oberflächlich und hat viel mit der Abneigung gegen die Nato zu tun. Denn es ist nicht vergessen, dass die Nato im Frühling 1999 zahlreiche Städte im heutigen Serbien bombardiert hat, um den Kosovo-Krieg zu beenden. Gleichzeitig will das Land in die EU, und die EU ist auch die Lieblingsdestination aller Serbinnen und Serben, die auf der Suche nach einem besseren Leben das Land verlassen.
Duration:00:27:02
Frostige Zeiten an der Grenze zwischen Finnland und Russland
2/11/2023
Finnland will entlang der über 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland einen Zaun bauen. Wegen des Kriegs, den Russland mit der Ukraine führt, ist der reguläre Grenzverkehr auch an der Grenze zwischen Russland und Finnland beinahe zum Erliegen gekommen. Der geplante Zaun soll vorerst einmal 130 Kilometer lang werden. Mit einer Höhe von etwa 3 Metern soll er illegale Grenzübertritte weitgehend verhindern. Kostenpunkt 140 Millionen Euro. Die Grenze zu Russland verläuft rund 190 Kilometer östlich der finnischen Hauptstadt Helsinki. In dieser Grenzregion war es schon ohne Zaun sehr ruhig geworden. Denn vor dem Krieg hatte bereits die Corona-Pandemie den Verkehr zwischen den beiden Nachbarn unterbrochen. Mit dem Zaun drohen nun die Verbindungen zwischen Finnland und Russland langfristig gekappt zu werden. Und der Beitritt Finnlands zur Nato stösst in der finnischen Bevölkerung auf grosse Zustimmung.
Duration:00:27:38
Frankreich: Neue Energie für die Atomkraft
2/4/2023
Präsident Macron hat eine «Renaissance der Kernenergie» versprochen. Er knüpft damit in Zeiten der Stromknappheit an französische Zukunftsvisionen des letzten Jahrhunderts an.Kann so die Versorgungskrise entschärft werden? Die Luft flirrt, an manchen Stellen vibriert im AKW von Paluel der Boden. Die Produktionshalle ist so gross wie ein Fussballfeld. «Spüren Sie schon die Hitze?», fragt Werksdirektor Jean-Marie Boursier. Die Turbine sei so stark, dass sie vierhundert Hochgeschwindigkeitszüge anschieben könnte, ergänzt er. Aus dem Werksdirektor spricht der Stolz einer ganzen französischen Ingenieurselite. Seit den Sechzigerjahren setzte Frankreich konsequent auf die Atomkraft. Diese «Kernkompetenz» werde dem Land die Unabhängigkeit sichern, versprach General de Gaulle, Weltkriegsheld und prägende politische Figur der französischen Nachkriegspolitik. Unter seiner Führung wurde die «Grande Nation» nicht nur zur militärischen Nuklearmacht, sie begann auch in grossem Stil in Atomkraftwerke für die Stromerzeugung zu investieren. Der Reaktorenpark ist in die Jahre gekommen. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima galt er zwischenzeitlich als Auslaufmodell, das Interesse der Jugend an einer Karriere im Nuklearsektor schwand. Das älteste der Kraftwerke, jenes von Fessenheim, wurde abgeschaltet. Doch in Zeiten der Energieknappheit treten die Bedenken in den Hintergrund, Präsident Macron beruft sich wieder explizit auf die damalige Vision des Generals. Die Laufzeiten sollen verlängert und sechs neue Atomkraftwerke gebaut werden. Macron verspricht, so gleichzeitig die Versorgungskrise zu entschärfen, das Klima zu schützen und Arbeitsplätze zu sichern. Eine kontroverse Debatte um die Atomkraft findet nicht statt. Bis die neuen Kraftwerke tatsächlich ans Netz gehen, werden allerdings noch Jahre vergehen. Frankreich will unterdessen auch massiv in die erneuerbaren Energien investieren, um seinen Rückstand im europäischen Vergleich aufzuholen. «Wenn die Versorgungskrise etwas Gutes hat, dann dass es mit der Energiesicherung jetzt an beiden Fronten endlich vorangeht», meint Unternehmer Patrice Gault in seinem AKW-Zulieferbetrieb in Dieppe am Ärmelkanal – in der Reportage über Frankreichs Energiepolitik.
Duration:00:26:28
Odysseen ohne Sinn: Italiens widersprüchliche Migrationspolitik
1/28/2023
Mit grossem Aufwand setzt Italien Migranten und Flüchtlinge auf Lampedusa fest, bringt sie dann in sogenannte Hotspots und lässt sie am Schluss einfach laufen. Dabei ist Italien auf Zuwanderung angewiesen. Aber eine kohärente Migrationspolitik fehlt. Italien hat weniger Asylbewerber pro Kopf als die Schweiz. Trotzdem führt die rechtskonservative Regierung von Giorgia Meloni einen symbolischen Kampf gegen private Seenotretter, um die eigenen Anhänger zu befriedigen. An die Wurzeln des Problems wagt sich keine italienische Regierung. Seit 2013 haben mehr Italienerinnen und Italiener ihr Land verlassen, als Flüchtlinge oder Migrantinnen zugewandert sind. Vor allem gut ausgebildete Junge gehen ins Ausland. Italien ist das Land mit der drittältesten Bevölkerung der Welt. Es braucht Zuwanderung und dringend Fachkräfte. Der Ukrainekrieg hat weltweit eine neue Migrations- und Flüchtlingswelle verursacht. Doch wirklich gelernt hat man in Europa aus der letzten grossen Krise 2015 nicht.
Duration:00:25:17
Der Schmerz des Verlustes – das Erbe der Griechen aus Kleinasien
1/21/2023
Vor hundert Jahren besiegelte ein Vertrag das Ende des Griechentums in Kleinasien. Etwa 1,5 Millionen Griechinnen und Griechen mussten ihre Heimat verlassen. Die Flüchtlinge waren in Griechenland wenig willkommen. Ihre Nachkommen kämpfen gegen das Vergessen und pflegen bis heute alte Traditionen. «Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland» wird die gewaltsame Umsiedlung im in Lausanne geschlossenen Vertrag von 1923 genannt. Dieser besiegelte nicht nur die Vertreibung der Griechen und Griechinnen aus Kleinasien, sondern auch diejenige von 400 000 Muslimen aus Griechenland. Das bedeutete Entwurzelung, Verlust und Schmerz. Nicht alle fanden in ihrer neuen Heimat Griechenland Anschluss. Viele waren im Osmanischen Reich privilegiert gewesen und mussten ganz neu anfangen, am Rande der Gesellschaft. Sie brachten ihre Traditionen, Speisen und Musik mit, die die Nachfahren der Flüchtlinge noch heute pflegen. So unterrichtet etwa der 57-jährige Giorgos Sarafidis in einem Athener Vorort, in dem sich damals viele der Vertriebenen niedergelassen hatten, pontische Tänze. Die Strassen des Viertels tragen bis heute Namen der Schwarzmeer-Region. Oder da ist Marilena Manika, der die Vertreibungsgeschichte ihrer Grosseltern so präsent ist, dass ihr scheint, als hätte sie die damalige Flucht durchgemacht. Sie alle wünschen sich, dass der Anteil der damaligen Neuankömmlinge an der griechischen Kultur anerkannt wird und ihre Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.
Duration:00:28:16